Foto: Werkstatt für Liturgie und Predigt – Spezial – Nr. 35-K7-16-2021-0001co
Freiraum für die Seele
Haben Sie vielleicht auch einen Korkenzieher mit Seele?
Meiner hat eine Seele. So jedenfalls sagt man es volkstümlich: Bei manchen Korkenziehern ist das Gewinde um einen Hohlraum gedreht. Von unten gesehen kann man in der Mitte einen leeren Raum sehen, in den man ein Streichholz stecken könnte. Angeblich lassen sich Korken besser aus der Flasche ziehen, wenn der Korkenzieher solch eine „Seele“ hat.
Selbstverständlich wissen wir, dass solch ein Haushaltsgerät nicht wirklich eine Seele hat. Und doch kann das ein wunderbares Bild sein für die Seele, die wir Menschen haben:
Ein Freiraum mitten in uns, den man nicht wiegen oder messen kann.
Ein Freiraum in all dem, was wir jeden Tag zu tun haben und was uns in unseren Gedanken und gefühlsmäßig beschäftigt.
Gut, wenn die Seele freien Raum hat.
Ein „Jahr der Freiräume“ hatte die Landeskirche Hannovers vor einigen Jahren ausgerufen.
Es sollte für alle ein Jahr sein, in dem Menschen motiviert wurden mitten im Getriebe loslassen zu können, alte Routinen zu verlassen und Neues auszuprobieren.
Zeit für Freiräume – eine gute Idee, die jede und jeder für sich probieren kann. Dazu ist kein besonderer Termin nötig. Manch einer hat beim Blick in den Terminkalender zwar den Eindruck, dass der Kalender gar keine Freiräume zulässt. Und ich denke nicht wenigen unter uns geht es genau so.
Aber andere haben auch Ideen, wo sie für sich Freiräume entdecken können.
In den letzten zwei Corona-Jahren haben einige vor allem die Monate des Lockdown auch als Freiraum für sich selbst erschließen und nutzen können.
Der Blick auf den Korkenzieher könnte da helfen, Freiräume für mich zu entdecken. Das Weglassen allein reicht nicht, der Freiraum für die Seele kann mitten in Alltag entstehen.
Wie das Gewinde kann das Denken und Tun den Raum in der Mitte freigeben, begrenzen und halten. Wo die Seele Raum bekommt zum Atmen und zum Loslassen, da kann auf einmal Neues entstehen.
Ob im Alltag, in der Freizeit oder im Urlaub, es gibt viele Möglichkeiten, Freiräume für die Seele zu entdecken.
Wo die Seele so frei wird, da kann ich auch mein Leben und die ganze Welt mit neuen Augen sehen: das Wunder der Schöpfung, die Spuren Gottes in glücklichen und schmerzhaften Stunden. So bekommt meine Seele Raum, wenn ich mit den Worten des 139. Psalms sagen kann:
„Gott, ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin;
wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele.“
Ihr Pfarrer Ralf Janisch